Mit neuem Team zu altem Erfolg

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Gaastra gehörte vor gut zehn Jahren zu den angesagtesten Marken auf dem Kitemarkt. Mit dem GXR hatte man 2003 einen der bestverkauften Kites weltweit in den eigenen Reihen. Kurz darauf kam vollkommen unerwartet der Absturz. Gaastra verschwand in der Versenkung, erholte sich erst Jahre später langsam von dieser Entwicklung und spielt heute bezogen auf die Marktrelevanz lediglich eine Rolle im Mittelfeld. Damit will man sich bei der lenkenden New Sports GmbH in Köln nicht zufrieden geben und startet mit dem Ziel, an alte Erfolge anzuknüpfen, für 2015 eine Verkaufs-, Entwicklungs- und Marketingoffensive. Aufgrund der aktuellen Dollarentwicklung womöglich genau zum richtigen Zeitpunkt, wie Leif Wilkesmann, International Sales Manager bei Gaastra, erklärt.

Mit dem GXR habt ihr 2003 einen der erfolgreichsten Kites auf dem Markt entwickelt. Kurz darauf verschwand Gaastra nahezu vollständig von der Bildfläche. Was war los? Anfang 2000 brach eine Art Goldgräberstim­ mung in der Branche aus. Besonders die großen Windsurfmarken, zu denen wir ja auch gehören, sahen eine Möglichkeit, ihre Produktbreite zu erweitern und sinnvolle Synergien sowohl in der Produktion als auch im Verkauf für sich zu nut­ zen. Wir konnten uns in dieser Entwicklung 2003 bereits als Weltmarktführer mit dem GXR durch­ setzen. Der Grund, warum wir uns kurz darauf aus dem Kitemarkt zurückgezogen haben, ist leider ein sehr unschöner. Der Boom in der Bran­ che lockte nicht nur unzählige Marken an den Start, sondern auch eine unglaubliche Masse von schlechten und „gefährlichen“ Kites und Kite­ bars. Jede Marke stand enorm unter Druck mög­ lichst schnell einen neuen Kite rauszubringen, der ganz toll und ganz innovativ sein musste. Gerade aber die Sicherheitssysteme, die damals auf den Markt gelangten, waren überwiegend eine Gefahr für jeden Kiter. Ein weiterer Grund war die Öffnung der asiatischen Produktionen für nahezu jedermann. Die Angebote waren mehr als verlockend, die Qualität zu dieser Zeit jedoch katastrophal. Keiner erinnert sich gern an diese Zeiten, aber Fakt ist, dass sich unzählige Todesfälle ereignet haben, die in unseren Augen hätten vermieden werden müssen. Die Angst, dass so ein Unfall auch mit einem Gaastra­Kite hätte passieren können, war groß. Zum Glück ist uns dieses Schicksal damals nicht widerfahren, aber ein Todesfall in der unmittelbaren Umge­ bung unseres Designteams brachte dann die endgültige Entscheidung, eine andere Strategie bei Gaastra Kiteboarding zu fahren. Von 2004 an ließen wir uns mehr Zeit mit unserer Entwicklung und übernahmen Sicherheitssysteme, die sich auf dem Markt als sicher behaupteten.

Dabei hätte man aber doch nicht so radikal von der Bildfläche verschwinden müssen. Das Geld, dass andere Marken damals in Marketingkampagnen – vorwiegend zur Markt­ verdrängung – steckten, investierten wir in den Aufbau unserer eigenen Fabriken, um die Qualität auf dem Markt selbst in die Hand zu nehmen und nicht einer Produktion hilflos ausgeliefert zu sein. Das Budget für Marketingaktivitäten wurden daher vorerst stark eingedampft. Die schlech­te Qualität auf dem Markt war unter anderem für den Untergang einiger namhafter Marken mitverantwortlich, da es so etwas wie Ethik oder Verantwortungsbewusstsein, wie wir es in Europa und Amerika kennen, auf dem asiatischen Produktionsmarkt leider nicht gab.

„Anstatt die sichere Kuh zu melken, investierten wir in asiatische Produktionsstätten, also in einen der risikoreichsten Märkte weltweit.“ Leif Wilkesmann

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Wie sah die Strategie damals genau aus? Als wir uns entschlossen hatten, das in unse­ ren Augen gefährliche Spiel mit unausgereiften Produkten nicht mehr mitzumachen und unser Kapital anders einzusetzen, sind wir ein sehr ho­ hes und zugleich doppeltes Risiko eingegangen. Als Weltmarktführer mit etwa 25.000 verkauften Gaastra­Kites in 2003, zu Zeiten, in denen das Internet noch nicht zu globalen Preiskämpfen ausgerufen hatte, konnte man eigentlich gutes Geld verdienen. Anstatt die sichere Kuh zu mel­ ken, investierten wir in asiatische Produktions­ stätten, also in einen der risikoreichsten Märkte weltweit. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass die ganze Branche den Kopf geschüttelt hat über diese Entscheidung und sich auch zunächst bestätigt sah. Denn natürlich hat uns der Aufbau der Produktionen zunächst zurückgeworfen. Damals gab es kaum Qualitätskontrollen. Das schnelle Geld war das einzige, was Märkte wie China interessierte. Dem entgegenzusteuern hat viel Kraft, Zeit und Geld gekostet.

Dennoch waren wir immer überzeugt, dass die Entscheidung richtig war und sich eines Tages auszahlen würde. Und tatsächlich konnten wir dann zum Ende des letzten Jahrzehnts unseren Rückstand zum Markt aufholen. In den letzten zwei bis drei Jahren waren die Fabriken auf einmal kein Nachteil mehr, sondern ein riesiger Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Im Windsurfen konnten wir diesen Vorteil sofort umsetzen und sind wahnsinnig Stolz darauf, dass wir in den letzten Jahren immer wieder die Weltspitze domi­ nieren konnten. Das war dann auch das erneute Startsignal für uns, im Kiten wieder Gas zu geben.

Verglichen mit 2003 fallen die Erfolge im Kiten aber bisher noch ziemlich überschaubar aus. Wie gesagt, beim Windsurfen ist uns das schneller gelungen. Das lag am starken Team im Hintergrund. Beim Kiten lief die Ent­ wicklung bisher etwas langsamer, da das Team noch nicht zu hundert Prozent stand. Verständ­ licherweise haben die Kiter da draußen deshalb auch noch nichts davon mitbekommen, wer wir eigentlich sind und was hinter der Marke Gaastra Kiteboarding wirklich steht. Schließlich war es sehr ruhig um uns und viele Konkurrenten haben das genutzt, um die Marke totzureden. Schaut man sich jedoch unsere Produkte aus der letzten und der aktuellen Saison an, so wird jeder feststellen, dass wir innerhalb von zwei Jahren wieder den Anschluss an die absoluten Topmar­ken in der Branche gefunden haben.

Den habt ihr auf personeller Ebene zu Beginn diesen Jahres mit der Verpflichtung der Rodwalds ja auf jeden Fall geschafft. Wie kam es dazu? Der langfristige Erfolg einer Marke ist immer ein Ergebnis von guten Produk­ ten. Gute Produkte kann man aber nur mit einem sehr guten Team entwickeln. Mit Urs Hunger­ bühler haben wir einen der wohl jüngsten und gleichzeitig talentiertesten Designer der Branche in unseren Reihen. Natürlich benötigt man aber auch aktive Fahrer, die so professionell arbeiten, dass sie ihr subjektives Gefühl hinterfragen und es möglichst objektiv und verständlich an den Designer weitergeben. Leider gibt es besonders in der Kitebranche sehr wenige Kiter, die so pro­fessionell arbeiten. Mario Rodwald kann heute, obwohl er erst 23 Jahren alt ist, als amtierender dreifacher Europameister, achtfacher Deutscher Meister und als einer der besten Kiter weltweit auf bereits mehr als 14 Jahre Erfahrung in der Branche zurückgreifen. Jeder, der Mario kennt, weiß wie zielstrebig, ehrgeizig und professionell er ist. Zudem lebt er den Sport wie kein anderer. Ich kenne zur Zeit keinen Kiter in der Branche, der besser geeignet wäre als Mario. Das war der entscheidende Grund, warum wir das Gespräch mit ihm gesucht haben.

Bei Mario allein blieb es dann ja aber nicht. Stimmt. Marios Vater Roy ist ein weiterer, ganz entscheidender Faktor, da er der Mann hinter dem Erfolg von Mario ist. Seitdem ich in der Branche aktiv bin, begegne ich dem Namen Roy Rodwald immer wieder. Ob nun selbst als Deutscher Meister oder als derjenige, der immer wieder neue Produkte für die verschie­ densten Marken mitentwickelt und verbessert hat. Man darf auch Marios Mutter Ute Rodwald und seine Schwester Melissa nicht vergessen, mit denen wir ebenfalls eng zusammenarbei­ ten. Während Ute den deutschen Kitemarkt seit Jahren sehr genau kennt, wird Melissa einen wichtigen Part bei der Entwicklung von Kiteprodukten speziell für Frauen einnehmen. Das Gesamtpaket war unser absoluter Wunsch und er ist in Erfüllung gegangen.

In Zeiten des GXR war Mario schon einmal Teamfahrer bei euch. Zufall oder bewusst geplant, dass er genau jetzt wieder zu euch stößt? Mario damals gehen zu lassen war die absolut richtige Entscheidung und ja auch völlig klar, nachdem wir uns dazu entschlossen hatten, unsere Prioritäten anders zu setzen. In den Jahren danach ist Mario extrem gewachsen. Nicht nur körperlich, schließlich war er damals „süße“ elf Jahre alt, sondern auch als Person und Charakter. Er hat bei einigen der wichtigsten Marken Erfahrungen gesammelt, die weit über die eines Teamfahrers hinausgehen. Der Zeitpunkt der Rückkehr war schon sehr bewusst gewählt und von langer Hand geplant. Dass alles so perfekt geklappt hat, freut uns sehr. Und es ist unglaublich, was wir gemein­ sam bereits in kurzer Zeit umsetzen konnten.

Wie wichtig ist es für euch, dass Mario wieder auf der PKRA startet und welchen Wert hat er für euch so lange er noch mit seiner Knieverletzung kämpft? Mario nur als Team­ fahrer zu sehen, wäre absolute Verschwendung. Natürlich ist so eine Verletzung immer ärgerlich, aber unsere Gespräche haben wir bereits lange vor seiner Knieverletzung gestartet. Schon damals war für uns klar, dass wir an Marios und Roys Erfahrungen für die Entwicklung interessiert sind und nicht nur an Marios Talent als Athlet. Er arbei­tet hart daran, wieder ganz vorn mitzufahren, und das wird er auch schaffen. Zudem werden wir das Team um Mario herum kontinuierlich aufbauen und erweitern. Gaastra Kiteboarding wird also so oder so sehr bald wieder ganz vorn mitmischen.

Die aktuelle Entwicklung des Dollarkurses führt bereits jetzt zu grauen Haaren bei den Verantwortlichen zahlreicher Kite- und Boardmarken. Welche Folgen erwartest du für die Branche und die Endverbraucher in Deutschland? Das Thema ist branchenüber­ greifend in aller Munde und führt tatsächlich zu grauen Haaren bei den Verantwortlichen. Es ist bereits abzusehen, dass es in der Kitebranche zum Teil kurzfristig, garantiert aber mittelfristig zu deutlichen Preissteigerungen von zehn bis 20 Prozent kommen wird. Auch wenn der ein oder andere denken mag, dass uns der Dollarkurs nicht interessiert, ist es in unserer globalisierten Welt ja so, dass so gut wie keine Produkte mehr nur in einem Land hergestellt werden. Ganz besonders in der Kitebranche gibt es keinen Hersteller und keine Marke, die nicht zumindest Teile ihrer Produkte im Ausland produzieren las­ sen, oder Rohstoffe aus dem Ausland beziehen. Das heißt gleichzeitig, dass sich jede Produktion irgendwie mit Währungsschwankungen und aktu­ell ganz besonders mit dem Dollarkurs und dem schwachen Euro auseinandersetzen muss.

Seid ihr in einer besseren Position, da ihr eine eigene Tuchfabrik betreibt, von der auch andere große Marken ihre Tücher für Kites beziehen? Das ist ein riesengroßer Vorteil für uns und genau auf diesen Punkt haben wir jah­ relang hingearbeitet. Wenn es kaum Währungs­ schwankungen gibt und man als Unternehmen aus Europa auf einen starken Euro zurückgreifen kann, dann ist alles sehr einfach und man kann produzieren, wo auch immer man will. Mit dem aktuell schwachen Euro muss man dagegen jeden Cent auf die Goldwaage legen, sich überle­ gen, wo man Kosten einsparen kann, oder eben die Preise um die Währungsschwankung von zehn bis 20 Prozent anheben.

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Ist das nun die Bestätigung dafür, vor zehn Jahren alles richtig gemacht zu haben? Das könnte man so nennen. Als wir uns damals für die Investition in eigene Fabriken entschie­ den haben, bestand das Ziel darin, die gesamte Wertschöpfungskette in unser Unternehmen zu integrieren und so haben wir heute nicht nur eine Segeltuchfabrik, sondern auch eine Kite­ und Windsurffabrik, sowie eine Accessoiresfabrik.

In unserer Tuchfabrik produzieren wir neben Yachtsegeln für den Segelsport auch Tücher fürs Windsurfen, fürs Kiten und beliefern zusätzlich viele große Konkurrenzmarken aus der Branche. Das gilt auch für unsere Windsurf­ und Kitefabrik, sowie unsere Fabriken, in denen wir verschie­ denste Accessoires nicht nur für uns, sondern auch für die Branche herstellen. Damit sind wir tatsächlich die Einzigen, die wirklich die gesamte Wertschöpfungskette in ihrem Unternehmen vereinen können. Es klingt hoffentlich nicht über­ heblich, wenn ich sage, dass wir darauf extrem stolz sind. Schließlich sind unsere Fabriken nicht irgendwelche Fabriken, sondern es hat sich he­ rumgesprochen, dass wir die beste Qualität auf dem Markt bieten, und das auch noch zu sehr konkurrenzfähigen Preisen. Somit konnten wir schon in einigen Bereichen neue Standards für die Kitebranche setzen.

„Es ist bereits abzusehen, dass es in der Kitebranche zu deutlichen Preissteigerungen von zehn bis 20 Prozent kommen wird.“ Leif Wilkesmann

Bleibt ihr damit vom Dollarkurs komplett unbeeinflusst? Wir haben gut vorgesorgt, da der Einbruch des Euros für uns nicht unerwartet kam. Unbestritten ist, dass der schwache Euro auch uns treffen wird, mit dem entscheidenden Unterschied allerdings, dass wir dem Ganzen entspannter entgegensehen können. Wir werden natürlich genau beobachten, wie der Markt sich in den nächsten Monaten entwickelt, und ange­messen darauf reagieren.

Wie wird sich dieser Vorteil für eure Kunden niederschlagen? Sie werden sich auch in Zu­ kunft auf stabile Preise bei gleichzeitig höchster Qualität verlassen können. Es ist doch klar, dass bei vielen unserer Mitbewerber entweder die Preise hochgehen werden, oder die Qualität run­ tergehen muss. Wir können jetzt unsere Kunden und uns selbst endlich für das Risiko belohnen, das wir vor knapp zehn Jahren eingegangen sind.

Wie sehen die Ziele in diesem Jahr für Gaastra aus? Unsere Ziele sind sehr hoch gesteckt. So hoch, dass wir uns am Anfang nicht ganz sicher waren, ob sie auch wirklich realis­ tisch sind. Mit dem neu zusammengestellten und vergrößerten Team bringt es jedoch viel Spaß und wir kommen so schnell voran, dass nichts mehr unmöglich scheint. Die Zusammenarbeit mit den Fabriken läuft reibungslos und wir haben jederzeit den direkten Zugang zu den neuesten Innovatio­ nen im Materialbereich.

Unser neues Tuch ist beispielsweise extrem wasserabweisend, sehr viel reißfester und zudem auch noch leichter geworden. Die Verpflichtung von Mario und die Entwicklung des Dollarkurses kom­ men da natürlich nicht ganz ungelegen. Wir werden in 2015 ordentlich für Gesprächsstoff sorgen.

Sollten die Erwartungen so eintreffen, wer steht als Nächstes auf eurer Wunschliste für das Team? Es ist sehr schön, zu sehen, wenn Entscheidungen sofort Wirkung zeigen. Ich denke, die wenigsten Kiter da draußen wissen, dass Gaastra Kiteboarding eine der am besten aufge­ stellten Marken weltweit ist. Auch für Mario war das neu, als ich ihm unsere Pläne für 2015 das erste Mal vorgestellt habe. Das scheint sich im Moment ziemlich schnell herumzusprechen, da wir tatsächlich bereits weitere Anfragen von pro­ minenten Fahrern vorliegen haben. Aber Namen möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt aus nachvoll­ ziehbaren Gründen noch nicht nennen.